Dieses Wochenende war es endlich so weit: Nachdem ich seit Monaten darauf gewartet habe, Steve McQueens „12 Years a Slave“ zu sehen, ging es am Freitag endlich ins Kino und 134 Minuten lang entfaltete sich alles, was ich zuvor in Solomon Northups Memoiren las, erstmals in Bild und Ton vor mir.

Steve McQueens Verfilmung von Solomon Northups Memoiren, die 1853 in den USA erschienen, lebt vor allem von den Bildern und einer unglaublichen Authentizität: Bei dem Großteil der heutigen Kinofilme sind die Sets von allen Seiten perfekt ausgeleuchtet, sodass kein (ungewollter) Schatten entstehen kann und gerade bei Indoor-Szenen alles zu sehr vom Kunstlicht geprägt ist – „12 Years a Slave“ ist glücklicherweise nicht so klinisch ausgeleuchtet und gibt dem Zuschauer den Eindruck, selbst vor Ort zu sein. Daneben prägen lange Einstellungen und wenige Dialoge den Film. Selbst Hans Zimmers Filmmusik ist derart leise und gekonnt eingesetzt, dass sie die Atmosphäre zwar einfängt, sich aber nie in den Vordergrund drängt. Dadurch erhält der Film trotz all seines Schmerzes und aller Brutalität eine gewisse Ruhe, wodurch der Fokus automatisch auf das Schauspiel und die eigentliche Geschichte gelenkt wird.

Was Ersteres betrifft, kommt man nicht umhin, Chiwetel Ejiofor für seine Verkörperung des Solomon Northup zu loben und ihm den Oscar für die beste Hauptrolle zu wünschen. Doch auch Brad Pitt als Tischler Samuel Bass konnte mich erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder als Schauspieler überzeugen und Michael Fassbender als Plantagenbesitzer Edwin Epps sowie Paul Dano („Prisoners“) als John M. Tibeats gaben sehr authentische, furchterregende Antagonisten ab – obwohl Epps und Tibeats ursprünglich noch brutaler waren: So kam es zwischen Tibeats und Solomon nicht wie im Film dargestellt nur zu einer lebensbedrohlichen Situation – tatsächlich musste Solomon Northup deutlich länger um sein Leben fürchten, bis er nicht mehr unter Tibeats Macht stand. Doch frei von Tibeats bedeutete für Solomon Northup auch, sich in die Hände des gnadenlosen Edwin Epps zu begeben und seinen bisherigen Master William Ford (Benedict Cumberbatch) zu verlassen, welcher einer der wenigen „humanen“ Sklavenhalter war – sofern Menschen, die andere Menschen als Besitz erachten, human sein können.

Was man Regisseur Steve McQueen und Drehbuchautor John Ridley vor allem zu Gute halten muss, ist ihr Anspruch, nicht einfach einen Blockbuster entstehen zu lassen, sondern wirklich eine längst vergessene Geschichte zu erzählen und eine bislang kaum berücksichtigte Facette eines bekannten Kapitels der US-amerikanischen Geschichte in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken: die Geschichte eines freien Mannes, der entführt und versklavt wurde und dessen Entführer zwar vor Gericht kamen, jedoch nie eine Strafe erhielten – im Gegenteil: Man warf Solomon Northup sogar vor, mit seinen Entführern zusammengearbeitet zu haben.

Die Verfilmung von Solomon Northups Erfahrungen hält sich dabei sehr nah an die wahren Umstände und Erlebnisse,beispielsweise wurde das Gespräch zwischen Epps und Bass nahezu 1:1 dem zugrunde liegenden Buch entnommen. Aber natürlich haben sich McQueen und Ridley die künstlerische Freiheit herausgenommen, auch Neues hinzuzufügen und manches zu ändern oder auszulassen, allerdings handelt es sich überwiegend um kleine Anpassungen, die für das eigentliche Geschehen von geringer Bedeutung sind. So hatten Solomon Northup und seine Frau nicht nur zwei, sondern drei Kinder und die Sklavin Patsey flehte den echten Solomon Northup nie an, ihr das Leben zu nehmen. Auch wurde Solomon Northup bei seiner Befreiung nicht von seinem Bekannten Cephas Parker abgeholt, sondern eigentlich von einem Nachfahren des Mannes, bei dem Solomons Vater einst Sklave war – das hätte im Film selbstverständlich zu viel Erklärung und Zeit bedurft, weshalb diese Änderung nachvollziehbar ist. Etwas weniger nachvollziehbar erschien mir, dass Solomon im Film seine Violine zerstört – tatsächlich wäre ihm so etwas wohl nie in den Sinn gekommen, war das Instrument doch das Einzige, das ihn mit seinem früheren Leben verband und dessen er es verdankte, gelegentlich der Feldarbeit zu entkommen. Mehr über die Unterschiede zwischen dem Film und dem wahren Leben des Solomon Northup erfahrt ihr hier.

Trotz dieser diversen, kleinen Änderungen fängt der Film sehr gut Solomon Northups Geschichte und die damalige Zeit ein und allein für die Szene, in der Patsey ausgepeitscht wird, verdienen die Beteiligten die bedeutendsten Filmpreise. Es ist eine der härtesten, einprägsamten Stellen im Film. Damit gelang es Steve McQueen und den Darstellern, die ganze Brutalität der Zeit in einem Augenblick einzufangen und den Zuschauern zugleich eines von Solomon Northups Schlüsselerlebnissen nahezubringen: In seinen Memoiren bezeichnete er Patseys Auspeitschung als einen der grausamsten Momente, derer er je Zeuge wurde. Wenn es also gelingt, eines der prägendsten Erlebnisse eines Menschen auch für das Publikum zu einem der bedeutendsten Momente zu machen, dann kann man vor allen am Film Beteiligten eigentlich nur den Hut ziehen und hoffen, dass Steve McQueen noch viele weitere cineastische Meisterwerke schafft.

In diesem Sinne kann ich abschließend nur jedem ans Herz legen, „12 Years a Slave“ zu sehen, mitzufühlen, mitzuleiden, nachzudenken! Wer ihn bereits kennt, wird mir sicher zustimmen, dass es ein Film ist, den man gesehen haben muss und der später in jede gute DVD/Blu-Ray-Sammlung gehört.

Weitere Eindrücke zu diesem grandiosen Film findet ihr bei Booksandmore81.