Edgar Wallace gilt als einer DER Krimiautoren aller Zeiten. „Der Hexer“ ist ein Klassiker und dreht sich um den Serienmörder Henry Arthur Milton – aufgrund seiner guten und ständigen Verkleidungen von allen nur „der Hexer“ genannt. Ursprünglich in Australien für tot erklärt, kehrt er nun zurück nach London. Und Scotland Yard versucht, ihm auf die Schliche zu kommen. Dabei gerät Inspektor Alan Wembury immer öfter in Kontakt mit dem Rechtsanwalt Maurice Messer, dessen Sekretärin Mary Lenley und ihrem Bruder John. Denn Marys Vorgängerin war die Schwester des Hexers – und ist tot. John und Maurice führen dagegen gesetzeswidrige Geschäfte.

Suggeriert der Titel und die Inhaltsangabe eine spannungsreiche, gruselige Geschichte, entpuppt sich der Wallace-Klassiker als langatmige, harmlose Bericht – sachlich, nüchtern und ohne große Vorkommnisse. Wer glaubt, beim Lesen und Hören die Gräueltaten des Hexers gedanklich mitzuerleben, wird enttäuscht. Seine Taten werden ab und an erwähnt, jedoch „live“ dabei bei einem Geschehen ist man nie. Es wird immer nur erzählt und berichtet und vermutet.

Die Erzählstil ist eher trocken und alles andere als fesselnd. Keine Gänsehaut, kein Grusel – nichts. Die täglichen Nachrichten sind da doch unheimlicher und bewegender, als es die Fantasie bei diesem Buch schaffen würde.

Möglicherweise ist dies ja ein typischer Stil für Wallaces Zeit – im Vergleich zu heutigen Krimis und Thrillern ist die Geschichte jedoch sehr ruhig und unspektakulär.

Doch es gibt noch weitere Probleme, die den Einstieg in die Handlung erschweren: Die Charaktere bleiben alle sehr blass; keiner ist wirklich markant oder individuell. Keiner von ihnen hat spezifische Wesenszüge. Einer scheint wie der andere zu sein – das macht das Auseinanderhalten der Charaktere alles andere als leicht. Ich persönlich wusste nie, wer nun welche Rolle spielt und konnte mich in keine Person hineinversetzen, niemanden wirklich verstehen und abschätzen. Die Wesenszüge schienen alle so einsilbig und teils auch undurchdacht: Einen Charakter, den ich anfangs für eher ruhig und bodenständig erachtete, zeigte sich später als hitzköpfig, zwielichtig und dadurch erst recht unverständlich, nur um später wieder völlig gelassen zu sein. Charaktere, die zu 99 Prozent der Geschichte gleich eintönig waren, brechen irgendwann plötzlich von einer Sekunde auf die nächste komplett aus, was sehr unglaubwürdig und schwer nachvollziehbar erscheint.

Auch ist der Titel der Geschichte nicht allzu passend gewählt: Zwar ist der Hexer der rote Faden der Geschichte, der Grund, warum die einzelnen Personen aufeinander treffen, jedoch passiert hinsichtlich des Polizeifalles in dieser Hinsicht fast nichts. Der Großteil der Handlung besteht aus Messers Taten und Verhalten, seinen Verbrechen, den Schaden, den er anderen zufügt und die hinterhältigen Pläne, die er verfolgt.

Jochen Striebeck als Sprecher macht seinen Job an sich nicht schlecht. Allerdings ermüdet es auf Dauer, ihm zuzuhören: Die nicht voran kommende Handlung kann mit Striebecks Vortragen nicht ausgeglichen werden. Anfangs gibt der Sprecher sich noch reichlich Mühe, den Charakteren individuelle Noten durch verschiedene Stimmlagen und -tempi zu verleihen. Im Laufe der Geschichte nimmt diese Ausschmückung jedoch kontinuierlich ab. Viele Sätze und Worte spricht Striebeck unnötig in die Länge gezogen – das verleiht Wallaces Krimi noch mehr Monotonie. Man schweift gedanklich immer wieder ab. Was einen dann jedoch immer wieder wachrüttelt, ist Striebecks schwankende Lautstärke: Oftmals grundlos spricht er plötzlich lauter, ist im nächsten Moment wieder so leise, dass man ihn kaum versteht. Das bewegt zwar zum besseren Zuhören, jedoch nervt das ständige Regeln der Lautstärke.

Fazit:

Edgar Wallace und „Der Hexer“ gehören zu den Klassikern der Kriminalromane – unverständlicherweise! Selbst Kinderbücher sind heutzutage gruseliger und handlungsreicher. Wallace Geschichte fehlt es an facettenreichen, gut durchdachten Charakteren, einer zum Titel besser passenden Handlung, Spannung, Ereignisreichtum und allem, was ein gutes Buch sonst noch ausmacht.

Wer mich und meine Rezensionen kennt, weiß, dass ich so gut wie nie ein Buch völlig verreiße. Generell kann ich auch (fast) jedem Werk etwas Positives abgewinnen, selbst den weniger inhaltsschwangeren. Doch in diesem Fall konnte mich nicht mal ein winziges Element überzeugen. In Anbetracht der Wertschätzung, die Wallace und seinen Werken entgegengebracht wird, ist „Der Hexer“ eine umso größere Enttäuschung für mich gewesen.

PS: Wer eine andere – von meinem Hörerlebnis unabhängige – Meinung lesen möchte, sollte sich die „Hexer“-Rezension von der Krimi-Couch ansehen. (Und ich dachte schon, nur mir erginge es so und ich hätte einen Klassiker einfach nur verkannt!)