Die Inderin Nina Savani lebt mit ihren Eltern in London und ihr Leben dort könnte gegensätzlicher kaum sein: Auf der einen Seite die pulsierende, moderne Großstadt mit all ihren Möglichkeiten, auf der anderen Seite die sehr altmodischen, traditionsbewussten Eltern. Zuhause taucht Nina jedesmal in eine Welt ein, die anders ist als die Welt, die sich ihr auf der Straße und im Beruf eröffnet. Den ganzen Tag laufen bei den Savanis Hindimusik und Bollywoodfilme, es gibt nur indisches Essen (jeden Abend Rotis in allen erdenklichen Variationen) und es werden die Regeln aus Indien eingehalten – auch in Sachen Ehe. Liebe zählt für Ninas Eltern nicht, die arrangierte Ehe gilt für sie als das einzig Wahre. Auch Nina soll sich seit Jahren für einen der vielen Kandidaten entscheiden – doch sie weigert sich vehement, ist genervt von all den indischen Traditionen. Aber auch jenseits des Familienhauses ist Nina unglücklich: Ihr Job – Kunstanwältin in einer renommierten Kanzlei – ödet sie seit Jahren an, genauer gesagt ihre Mandanten, die Künstler:  „Ich hatte genug von diesen Selbstdarstellern, die einen Haufen Trockenobst oder einen Müllberg mithilfe verschlungener Definitionen zum Kunstwerk erklärten.“ Nina steht still in ihrem Leben, es gibt nichts, dass ihr noch richtige Freude bereit, mit allem ist sie unzufrieden – auch mit sich selbst. Doch all das ändert sich an einem Wintertag: Es ist der erste Todestag ihrer besten Freundin Kirelli und durch Zufall gerät Nina an einen Guru. Dieser ist zwar ein guter Heiler und bringt Ninas Leben wieder in Bewegung, jedoch ist er auch ein notgeiler Perverser, sodass Nina alles andere als begeistert von diesem Erlebnis ist. Dass sein Zauber wirkt, kann sie jedoch später nicht leugnen. Denn noch am gleichen Tag schmeißt Nina ihren Job – bzw. wird gekündigt – und erwischt ihren Fast-Verlobten Jean Michel in flagranti mit einer anderen. Solo und arbeitslos ist Nina zunächst verzweifelt, trifft aber dann auf die Australierin Gina, die ihr für ein paar Monate ihr Atelier vermietet. Hier kann Nina nun ihrer großen Leidenschaft nachgehen: dem Malen. Ein Kunstwerk nach dem anderen entsteht. Gleichzeitig lässt sie sich auf einen der Heiratskandidaten ein – nach zwei Wochen ist sie bereits mit Raj verlobt. Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen. Und während Ninas Eltern über die Hochzeitspläne ihrer Tochter endlos glücklich sind, ahnen sie nichts von deren Doppelleben. Denn Nina hat ihnen sowohl den Verlust ihres Jobs als auch die Malerei verschwiegen – aus Angst, dass ihre Eltern sie dann genauso verstoßen würden wie einst Ninas große Schwester Jana. Für die Eltern zählt nur, dass Nina eine erfolgreiche Karriere hat – eines der Hauptkriterien bei arrangierten Ehen – und von Kunst halten sie so gar nichts. Doch für Nina ist Kunst alles, aus ihr schöpft sie neue Kraft und Trost. Und so täuscht sie allen ihr altes Leben weiterhin, verschweigt jedem, was sie wirklich tut – auch Raj. Eines Tages wird dann plötzlich einer der einflussreichsten Männer der Kunstszene auf Ninas Kunstwerke aufmerksam, unter der Annahme, dass es sich bei den Bildern um Werke eines Japaners handelt. So beginnt Nina auch ihn zu täuschen. Immer mehr verstrickt sie sich in ein Netz aus Lügen, die noch weitreichende Folgen für sie haben werden. Schließlich kommt es so weit, dass sie die ganze Kunst- und Medienwelt täuscht, einschließlich der Jury des begehrten Turner-Preises.

Letztenendes ist außer einer kleinen Notlüge gegenüber ihrer Eltern ein unkontrollierbarer Betrug an allen, die ihr lieb und wichtig sind, geworden und Ninas Verhalten kann nur noch in Chaos und gewaltigen Problemen enden.

Wer eine Geschichte im Bollywood-Stil sucht, wird hier nicht fündig. Der Zauber, den indische Romane wie Nairs voriges Buch „Koriandergrün und Safranrot“ oder Chitra Banerjee Divakarunis Werke, üblicherweise versprühen, fehlt hier. Man taucht nicht in ein buntes, romantisches Indien ein, sondern in das Chaos und die Nüchternheit der westlichen Welt. Daher war ich zunächst ein wenig enttäuscht, da ich schon eine gefühlte Ewigkeit keinen dieser typischen Indienromane in den Händen hielt. Aber nachdem ich in der Geschichte drin war – was sehr schnell ging – war ich auch tief ins Geschehen versunken. „Der Duft der Farben“ liest sich sehr schnell und leicht weg, ein Ereignis folgt dem nächsten, nie kehrt Stillstand ein.

Atemberaubend kann ich „Der Duft der Farben“ dennoch nicht nennen. Die Geschichte wirkt einfach zu unreal – Nina trifft natürlich immer sofort genau die Leute, die ihr helfen können, alles ereignet sich so, dass Ninas Lügen nicht aufgedeckt werden und rein zufällig gerät Nina mit einem ihrer ersten Bilder sofort an einen der wichtigsten Menschen der Kunstszene – Tastudi Mangetti, einem Italiener, der alle Macht der Welt besitzt, um ihre Karriere anzustoßen oder sie zum Scheitern zu verurteilen. Dank dessen beginnt für Nina – beziehungsweise ihrem imaginären japanischen Künstler – sofort eine Steile Karriere. Das Glück in der Kunstszene scheint Nina regelrecht zuzufliegen. Und dennoch ist sie nie wirklich glücklich. Das ist auch, was mich an ihrem Charakter ziemlich gestört hat: Die ganze Geschichte über ist Nina nur am Klagen, badet permanent in Selbstmitleid und ist nie mit einer Situation zufrieden. Ihren Job wollte sie längst an den Nagel hängen und ihr Leben lang träumt sie davon, Künsterlin zu sein. Als ihre Karriere in der Anwaltskanzlei schließlich endet und Nina auch noch sofort ein Atelier findet und malen kann, ist ihr das auch nicht recht. Als Leser bekommt man das Gefühl, dass sie selber nicht richtig weiß, was sie will und dass man sie wohl niemals zufrieden stellen kann. Jedesmal wenn sie sich wieder einmal bedauert hat, wollte ich sie am liebsten kräftig schütteln und ihr ein wenig Optimismus schenken. Wie kann ein Mensch denn nur so negativ durchs Leben gehen?

Kritisieren muss ich außerdem, dass manche Charaktere doch sehr klischeehaft waren – Ninas Freund war Franzose und schwor ihr ewige Liebe und musste sie natürlich betrügen. Und selbstverständlich hat sie ihn dabei sofort erwischt. Ihre Eltern sind relativ arm und Inder, wie sie im Bilderbuch stehen, während die potenziellen – reichen! – Schwiegereltern natürlich fast alles Indische ablehnen und sich vorwiegend für Geld und Ruhm interessieren. Tja, und dann wäre da noch die Japanerin mit ihrem Geliebten, einem Heiler, die natürlich beide nur mit Weisheiten um sich werfen und den ganzen Tag grünen Tee trinken.

Jedoch ist Preethi Nair mit „Der Duft der Farben“ ein Buch gelungen, dass den Leser durchweg unterhält. Zugegeben es ist weder ein Meisterwerk der Literatur, noch besonders anspruchsvoll. Aber die Autorin schafft das schier Unmögliche, keine einzige langatmige Stelle in den Text einzubauen. Nie wurde das Lesen des Buches langweilig, auch wenn viele Dinge in der Geschichte sehr vorhersehbar waren. Das Lesen macht  Spaß und das Buch ist schneller durchgelesen, als man sich vorstellen kann.

Fazit:

„Der Duft der Farben“ ist jedem zu empfehlen, der nach einer lustigen, abwechslungsreichen Geschichte sucht. Das Buch ist nicht sehr anspruchsvoll, die Handlung ziemlich weit her geholt und die Charaktere zwar liebenswert, aber teilweise stereotypisiert. Aber es liest sich sehr leicht und schnell weg. Preethi Nair hat eine Geschichte geschrieben, die so rasant verläuft und immer in Bewegung ist, dass man einfach nur Freude am Lesen haben kann. Gerade jetzt im Sommer bietet es sich also als tolle Urlaubslektüre an, die zu unterhalten weiß.